Vor einiger Zeit stieß ich auf den Blog-Beitrag „New evidence that bullet-points don’t work“ (etwa: „Neue Erkenntnisse, warum Punkt-Aufzählungen nicht funktionieren“).
Nun, dass Punkt-Aufzählungen auf PowerPoint-Folien fürchterlich langweilig und kontraproduktiv sind, dürfte inzwischen schon jeder mal am eigenen Leib erfahren haben. Aber wissenschaftliche Erläuterungen, warum das so ist, sind selten und für Laien oft schwer zu verstehen. Gespannt fing ich also an zu lesen, um mehr über diese neuen Erkenntnisse zu erfahren …
Der Beitrag stammt von Olivia Mitchell, einer Präsentationstrainerin aus Neuseeland. Sie verweist darin auf einen Vortrag der Psychologie-Dozentin Dr. Chris Atherton: „Visual Attention – a psychologist’s perspective“. Im Kontext von Ausbildung und Lernen geht es um das Gehirn und seine begrenzte Aufnahmefähigkeit. Olivia Mitchell fasst Athertons Vortrag zusammen und legt dabei den Fokus auf PowerPoint-gestützte Präsentationen.
Besonders spannend: Die Psychologin Chris Atherton verrät, mit welchen Tricks („Hacks“) man die Aufnahmefähigkeit des Gehirns steigern bzw. optimal nutzen kann. Und Olivia Mitchell überträgt diese Tricks auf das Präsentieren mit PowerPoint. Darüber hinaus gibt sie praktische Tipps zur Folien-Gestaltung, damit es nicht zum „Death by PowerPoint“ kommt.
Ich gebe im Folgenden Olivia Mitchells Beitrag in meinen Worten wieder und ergänze am Schluss noch ein paar Tipps.
Meine Lese-Empfehlung: Erklärvideos für die Lernplattform snipKI.
Wissenschaftliche Untersuchung
Chris Atherton hat untersucht, wie sich zwei unterschiedliche Folien-Typen im Hinblick auf den Lerneffekt auswirken. Für den Test wurden zwei Personen-Gruppen gebildet. Vor der einen Gruppe wurde mit „traditionellen“ PowerPoint-Folien präsentiert, die viel Text in Form von Punkt-Aufzählungen enthielten, teilweise ergänzt durch ein Diagramm. Vor der anderen Gruppe wurde mit reduzierten, aufgeräumten Folien („sparse slides“) präsentiert, die wenig Text enthielten und plakativ mit viel Weißraum gestaltet waren. Beide Präsentationen behandelten 30 Themen1 und wurden jeweils mit demselben Redetext vorgetragen.
Im Anschluss wurde überprüft, wie viel die Testpersonen von den 30 Themen1 behalten hatten, und zwar auf zweierlei Weise: Ein Teil machte einen Multiple-Choice-Test, der andere Teil sollte in eigenen Worten beschreiben, welche Themen in der Präsentation behandelt wurden.
Der Multiple-Choice-Test ergab keinen signifikanten Unterschied beim Lerneffekt: Sowohl die Gruppe mit den überladenen Folien als auch die Gruppe mit den plakativ gestalteten Folien konnte sich an etwa gleich viele Themen erinnern. Chris Atherton erklärt das mit dem Testverfahren, das es durch die vorgegebenen Antworten einfach macht, das kurz zuvor Präsentierte aus dem Gedächtnis abzurufen.
Ergebnis: Plakative, aufgeräumte Folien sind besser!
Bei den Testpersonen mit den frei formulierten Antworten ergab sich ein deutlicher Unterschied beim Lerneffekt:
Die Personen-Gruppe, vor der mit reduzierten, aufgeräumten Folien („sparse slides“) präsentiert wurde, schnitt deutlich besser ab.
Erläuterungen (Theorie)
Um das Ergebnis der Untersuchung zu erklären, verweist die Psychologin Atherton auf vier Theorien:
1. Unser Arbeitsspeicher ist begrenzt
Die Testpersonen konnten sich ungestützt an maximal sechs bis sieben Themen aus der Präsentation erinnern. Mehr geht auch nicht, denn die Speicherkapazität unseres Arbeitsgedächtnisses ist begrenzt:
Bereits 2001 gab Nelson Cowan diese Kapazität mit vier bis fünf Informationseinheiten an: Nelson Cowan (2001). Metatheory of storage capacity limits. Behavioral and Brain Sciences, 24, pp 154-176.
2. Zwei Wege der Informationsverarbeitung im Gehirn
Unser Gehirn verarbeitet Informationen hauptsächlich auf zwei Wegen:
Der auditive Cortex und die umliegenden Bereiche im Gehirn verarbeiten Sprache – sowohl geschriebene als auch gesprochene.
Wenn in einer Präsentation Folien mit viel Text in Aufzählungen eingesetzt werden, dann werden die beiden Wege der Informationsverarbeitung besonders schlecht genutzt: Der Zuschauer muss den Text auf der Folie lesen und zeitgleich dem Vortragenden zuhören. Das führt zu einer Überlastung der Sprachzentren im Gehirn, während der visuelle Cortex (Sehrinde) eher wenig zu tun hat:
Chris Atherton fügt hinzu, dass der visuelle Cortex zwar beim Lesen des Textes mitwirke, aber damit nicht wirklich ausgelastet sei.
3. Die kognitive Belastung
Die Theorie der kognitiven Belastung (cognitive load) wurde von John Sweller entwickelt. Es gibt zwei Hauptarten:
- Intrinsic cognitive load (intrinsische kognitive Belastung) – Belastung, die durch den Schwierigkeitsgrad oder die Komplexität des zu erlernenden Themas entsteht.
- Extraneous cognitive load (extrinsische kognitive Belastung) – Belastung, die durch die Darstellung und Gestaltung des Lernmaterials beeinflusst wird.
Letztere können wir durch den Einsatz von reduzierten, aufgeräumten Folien („sparse slides“) verringern, denn je einfacher und schneller der Zuschauer die Folie erfassen kann, desto besser kann er sich auf das konzentrieren, was der Referent sagt.
4. Kodierung der Informationen im Gehirn
Mit Kodierung ist hier der Prozess gemeint, mit dem wir Informationen in unser Gedächtnis ablegen. McDaniel und Callender haben gezeigt, dass ein gewisser Arbeitsaufwand während dieses Kodierungsprozesses den Lerneffekt verstärken kann.
Reduzierte, aufgeräumte PowerPoint-Folien sind nicht unbedingt selbsterklärend, sondern oft nur in Verbindung mit dem Redetext verständlich. Der Zuschauer muss also den Bezug zwischen dem gesprochenen Text und der Darstellung auf der Folie selbst herstellen, damit in seinem Kopf ein Gesamtbild entsteht. Dieser Prozess trägt dazu bei, dass sich der Zuschauer besser an die verarbeiteten Informationen erinnern kann: Denn er hat sie sich ja zum Teil selbst erarbeitet.
Daraus abgeleitete Tipps für Ihre Präsentationen
1. Fokussieren Sie sich!
Machen Sie sich bewusst, dass Ihr Publikum nur eine begrenzte Aufnahmekapazität hat. Außerdem ist das Thema, so wie Sie es präsentieren, für Ihre Zuschauer meist vollkommen neu.
Daher empfehle ich Ihnen, sich inhaltlich auf drei Kernbotschaften zu konzentrieren, die Ihr Publikum mit nach Hause nehmen soll: „Aller guten Dinge sind drei!“
2. Verteilen Sie die Last gehirn-gerecht!
Nutzen Sie beide Wege der Informationsverarbeitung im Gehirn und gestalten Sie die Folien als eine reine Unterstreichung Ihres Redetextes. Auf diese Weise kann der visuelle Cortex die Inhalte der Folien schnell verarbeiten, und die Sprachzentren im Gehirn haben ausreichend Kapazität für das, was Sie sagen.
Zeigen Sie also vor allem große Bilder. Und versuchen Sie, mit so wenig Text wie möglich auf den Folien auszukommen.
3. Werfen Sie den Ballast über Bord!
Verringern Sie die kognitive Belastung Ihres Publikums, indem Sie nur das auf den Folien darstellen, was wesentlich und wichtig ist:
- Verzichten Sie auf das Kleingedruckte (Fußzeile, Datum und Seitenzahl)
- Prüfen Sie, ob Ihr Firmenlogo wirklich auf jeder Folie stehen muss
- Entfernen Sie grafische Schnörkel, die keine Botschaft transportieren
- Ordnen Sie die verbliebenen Elemente auf der Folie nach Design-Prinzipien an
- Setzen Sie Animationen sparsam und möglichst nur zur Verdeutlichung komplexer Zusammenhänge ein
- Verteilen Sie Inhalte auf mehrere Folien, statt alles auf einer Seite unterzubringen
4. Lassen Sie Ihr Publikum arbeiten!
Wenn das Publikum (ein wenig) mitarbeiten muss, um Ihre Botschaft zu verstehen, dann wird es sich später besser daran erinnern können. Aber übertreiben Sie es nicht, sonst verstehen Ihre Zuschauer am Ende gar nichts. Drei Beispiele:
- Zeigen Sie ein Bild, das auf den ersten Blick keinen Bezug zu dem hat, was Sie sagen. Fordern Sie das Publikum auf, diesen Bezug zu erraten (bei großen Auditorien als rhetorische Frage, bei kleinem Publikum als echtes Quiz).
- Zeigen Sie die X- und Y-Achsen eines Diagramms und fragen Sie die Zuschauer, wie sich der Graph wohl entwickeln wird (geben Sie Hinweise, damit sie in etwa richtig liegen, aber machen Sie es nicht zu einfach).
- Erzählen Sie eine kleine Geschichte und zeigen Sie dazu ein Foto, dessen Bedeutung erst im Laufe der Geschichte erkennbar wird.
Fazit: Gehirn-gerechtes Präsentieren verhindert „Death by PowerPoint“
Ich freue mich, dass die Untersuchungsergebnisse von Dr. Chris Atherton das untermauern, was viele Präsentationsprofis seit Jahren predigen.
Die grafische Darstellung des gleichzeitig über- und unterforderten Gehirns ist sehr hilfreich, um das Phänomen „Death by PowerPoint“ zu erläutern.
All das erleichtert meine Arbeit. Dafür bedanke ich mich herzlich bei Olivia Mitchell und Chris Atherton. Thank you!
Links zu den Quellen
- Olivia Mitchells Beitrag: „New evidence that bullet-points don’t work“
- Dr. Chris Athertons Vortrag auf Slideshare: „Visual Attention – a psychologist’s perspective“
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1) Der Begriff „Themen“ ist nicht optimal übersetzt. Eigentlich ist so etwas wie „Informationseinheiten“ oder „Aspekte“ gemeint.
Bildnachweis: (1) tharrison, www.istockphoto.com, (2-3) Chris Atherton, (4) Chris Atherton / (LKW-Symbol) Ecelop, www.istockphoto.com, (5-7) Chris Atherton / (Gehirn) tharrison, www.istockphoto.com
Über Peter Claus Lamprecht (Mr. Praesentare)
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* PC’L ist mein Spitzname und wird »Peeezl« ausgesprochen.
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Comments 1
Sehr geehrter Herr Lamprecht,
mit Freude habe Ihren Artikel auf Ihrer WEB Seite gelesen. Als leidgeprüfter Teilnehmer und Vortragender bei Seminaren und Kronfrenzen, kann ich Ihnen nur sehr zustimmen. Ihre Statments treffen den Nagel auf den Punkt!
Viele Gruß
Jörg Garlinsky